Ausgabe 1/2024

Wo Jugendliche Halt finden

Dreipunkt - Du, Ich, Wir als Trias oder wie beim Klettern eine 3-Punkt-Sicherung für einen festen Halt. 

von Arnhild Rasilier-Walz, Redaktion 

 

Als ich mit Pit vom inzwischen aufgelösten Verein «Abseits Luzern» die Tribschen Quartierführung zu Anlaufstellen für Mitmenschen am Rande der Gesellschaft machte (s. Artikel in der Tripsche Zytig 4/2023) bat er mich beim Abschied unbedingt noch über die Stiftung dreipunkt zu berichten. Diese würde wertvolle Arbeit für Jugendliche leisten. Obwohl mitten im Quartier an der Tribschenstrasse 104 gelegen, fiel mir bisher nur der Hinweis auf angebotenes Holzofenbrot auf, nicht aber was sonst in dem unscheinbaren Haus geleistet wird. Anlass genug für ein Interview, zu dem mich der Geschäftsleiter Marco Limacher umgehend eingeladen hat.

 

Herr Limacher: Wofür steht der Name dreipunkt und seit wann gibt es die Stiftung? 

Heinz Siegenthaler gründete die Unternehmung 1999 als Zusammenspiel von Therapie, Sport und Bildung. Erste Angebote umfassten Outdoor-Programme, wie die Klettertherapie. Auch in Anlehnung an die 3-Punkt Sicherung für Halt am Berg wurde das Unternehmen dreipunkt getauft. 

Wir unterstützen Jugendliche und junge Erwachsene mit sozio-emotionaler Auffälligkeit zwischen 14 und 30 Jahren beim Berufseinstieg in Form einer ganzheitlichen Begleitung. Dafür vereinen wir Beratung, Bildung und Arbeit unter einem Dach. Der Einstieg für sämtliche Programme bildet ein Gespräch. Nach dem Orientierungsgespräch und der Eignungsklärung wird das adäquate Programm definiert. 

   

Wie und woher kommen die Jugendlichen zu Ihnen? 

Bei Jugendlichen, die die obligatorische Schule noch nicht abgeschlossen haben und im Klassenverbund nicht mehr tragbar sind, kommt die Schulleitung aus dem gesamten Kanton Luzern auf dreipunkt zu. Hier bietet sich die Klasse für Auszeit und Übertritt oder die praktische Modulklasse an. Bei älteren Jugendlichen werden diese von Sozialdiensten oder IV-Stellen aus der ganzen Zentralschweiz zugewiesen.

 

Wie finanzieren Sie Ihr Angebot? 

Bei Zuweisungen über die IV-Stellen werden jeweils die Vollkosten verrechnet. Damit wir die Infrastruktur und das breite Angebot aufrechterhalten können, machen wir dort auch aktive Akquise. 

 

Ihr Slogan lautet integriert, fördert, backt, gestaltet. «Backt» hätte ich in dieser Aufzählung nicht erwartet. Was hat es damit auf sich? 

Es passt in zweifacher Hinsicht. Zunächst müssen Jugendliche bei uns reifen, ähnlich wie ein Brot das mit der Hefe aufgeht. Andererseits betreiben wir im Haus eine Bio-Bäckerei mit dem letzten Holzofen in der Stadt Luzern. 

Nach der Ressourcenklärung wird das interne/externe Praktikum, die interne/externe Vorlehre oder die begleitete Lehre als Option angeboten. Dazu steht die USM-Werkstatt für das Auffrischen gebrauchter USM (Ulrich Schärer Münsingen) -Möbelstücke oder Erstellen neuer USM-Möbel unter Einbezug von Neuteilen sowie Möbelauslieferung und Umbauten, die Bio-Holzofenbäckerei für Holzofenbrot und andere handgefertigte Backwaren zur Verfügung. Erfolgt die Zuweisung über die Beratungsstelle Jugend und Beruf (BJB) kann nach dem einleitenden Gespräch das Motivationssemester besucht werden. 

 

 

Gibt es etwas, das sich über die Jahre verändert hat? 

Ja, wir sehen eine grosse Veränderung der Klientel. Während vor 5-6 Jahren 80% der Jugendlichen mit der falschen Berufswahl haderten und bei 20% psychische Probleme vorhanden waren, hat es sich seit 2-3 Jahren umgekehrt. Mit und nach der Pandemie stellen wir ganz überwiegend psychische Instabilitäten bei den Jugendlichen fest. Hier sind Gruppensettings zunehmend schwierig und diese erfordern viel mehr individuelle Begleitung.

 

Wie begegnen Sie diesen Herausforderungen und worin zeigt sich der Erfolg? 

Grundvoraussetzung ist, dass wir unvoreingenommen auf die Jugendlichen zugehen. Für unsere Arbeit muss man einfach Menschen gernhaben. Auch wenn jemand drei Tage nicht gekommen ist, sie mit «Schön, bist du da» immer wieder willkommen zu heissen. Zu sehen, dass Jugendliche stabiler werden, einstige Schüler in Lebenskrisen heute studieren oder ehemalige Teilnehmer vorbeikommen um ihr erworbenes Fähigkeitszeugnis zu zeigen ist all die Mühe wert. 

 

Für die veränderten Anforderungen entwickeln Sie dann immer wieder neue Programme? 

Das Angebot muss sich rechnen. Wir können handgefertigte Backwaren aus dem Holzofen, Occasion USM- Möbel, unser Angebot aus den Werkstätten oder unsere Dienstleistungen nicht einfach günstig abgeben. Wir sind auf den genügenden Umsatz angewiesen. Gelder für Spenden sind vorhanden aber auch viele Stiftungen mit ähnlichem Stiftungszweck. Deshalb müssen wir auch da sehr aktiv bleiben. Wir stossen im Haus an unsere Grenzen und können kein neues Angebot mehr aufnehmen. 

 

Wie lange sind Sie schon dabei und wie hat sich die Stiftung entwickelt? 

Im Jahr 2006 bin ich als Kursleiter gestartet und seit vier Jahren bin ich Geschäftsführer. Anfangs waren wir fünf Mitarbeitende und begleiteten 18 Jugendliche. Heute sind es fast 50 Mitarbeitende und wir bieten rund 100 Plätze.     

 

Was würden Sie sich wünschen? 

Als erstes wünsche ich mir von der Umgebung Vertrauen, dass wir das Möglichste mit unserer anspruchsvollen Klientel machen. Die Jugendlichen sind bisweilen laut und unordentlich, was uns in der Nachbarschaft verständlicherweise nicht immer nur erwünscht macht. Hier wäre es schön, wenn Mitmenschen einfach offen für den Austausch wären. Wir würden uns freuen, wenn sie sich melden oder einfach vorbeikommen. USM-Möbel werden Montag bis Freitag zu Bürozeiten vor Ort verkauft und auf Kundenwunsch gefertigt. Der Shop in unserer Holzofen Bio-Bäckerei ist Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 7 Uhr bis 12 Uhr geöffnet. Dienstag und Samstag verkaufen wir unser Holzofenbrot am Wochenmarkt aus einem Marktwagen in der Nähe des Luzerner Theaters. 

 

Die abschliessende Führung durch das Haus verdeutlicht das vielfältige Angebot in den verschiedenen Unterrichtsräumen und Werkstätten. Alle aufgeräumt und die Büros voll besetzt. Im Essensraum fällt mein Blick auf ein Bild, das die Wand zum Fenster nach aussen macht. Ein schönes Symbol. 

Zum Abschluss konnte ich köstliche Backwaren im Shop im EG kaufen. Wirklich empfehlenswert. Vielleicht schauen Sie auch mal vorbei?