Ausgabe 4/2023 |
Weltenbummlerin mit einem Herz fürs Quartier |
Über 60 Interviews hat Hildegard Küng für die «Tripsche Zytig» geführt. Nun ist sie aus dem Vorstand des Quartiervereins zurückgetreten und geniesst wieder mehr Freizeit. Die perfekte Gelegenheit, um mehr über die Frau mit dem markanten Pagenschnitt zu erfahren.Quartierputzete mit neuem Rekord!
von Valery Furrer Redaktion
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Hildegard hat mich zu unserem Gespräch in ihre Wohnung in der Cécile-Lauber-Gasse eingeladen. Es ist ein ausserge-wöhnlich heisser Sommertag. Sie trägt ein weites Kleid in fröhlichen Farben, das ihr sonniges Gemüt unterstreicht. Hilde-gard war 16 Jahre im Vorstand des Quar-tiervereins Tribschen-Langensand. Sie war verantwortlich für die Ausgaben der «Tripsche Zytig», für die sie jeweils ein Interview mit einer Person aus dem Quartier führte. «Die grösste Herausfor-derung bei den Interviews war es, das Gespräch danach zu Papier zu bringen», sagt sie.
Hildegard, beschreibe dich mit drei Worten!
Positiv, tolerant und lebenslustig.
Wo bist du geboren und aufgewachsen?
Ich bin in St. Gallen geboren und bin dort zur Schule gegangen. Mit 16 Jahren ver-brachte ich ein Jahr als Volontärin in einem Kloster in Brüssel, um Französisch zu lernen. Danach habe ich eine KV-Lehre in einer international tätigen Maschinen-baufirma absolviert. Nach dem Lehrabschluss habe ich ein Jahr in London für diese Firma gearbeitet. Ich wurde immer zum Diktat gerufen, weil ich die Einzige war, die drei Sprachen sprach und auch die Stenografie in diesen Sprachen be-herrschte.
Als ich im Alter von 24 Jahren zurück-kam, sah ich in der «Annabelle» ein Inserat, in dem die Swissair Stewardessen suchte. Ich habe mich sofort beworben und flog dann drei Jahre lang für die Swissair, bis ich heiratete.
Was hast du bei der Swissair erlebt?
Spannend war vor allem der Kontakt zu den Passagieren. Wir hatten regelmässig berühmte Schauspielerinnen und Schauspieler, die mit uns geflogen sind. Auf einem Flug war Mireille Mathieu. Sie zitterte und bat mich, ihre Hand zu halten. So sass ich während des ganzen Starts neben ihr. Ich hatte auch Audrey Hepburn mehrmals an Bord. Sie besuchte regelmässig ihren Sohn im Internat in Genf. Sie war eine sehr sympathische und beeindruckende Frau. Das Schöne war, dass man sich damals wirklich Zeit für die Gäste nehmen konnte. Ich habe die Jahre bei Swissair sehr genossen, weil ich so viel von der Welt gesehen habe. Das wäre mir sonst nicht möglich gewesen. Wir hatten damals viele Night-stops: zum Beispiel fünf Tage Aufenthalt in Bombay, fünf Tage in Bangkok und weitere drei Tage in Hongkong. Heute kann man sich das gar nicht mehr vor-stellen, wir haben das Essen noch in Porzellangeschirr serviert und an die Gäste der 1. Klasse «Zigaretten-Müsterli» verteilt. Im ganzen Flugzeug wurde damals noch während des ganzen Fluges geraucht.
Was hast du nach der Swissair-Zeit gemacht?
Nach meiner Heirat habe ich mit meinem Mann während zwei Jahren in Amerika und anschliessend zwei Jahre in Genf gelebt. Danach hat mein Mann eine Stelle in Luzern gefunden und so sind wir 1980 hierhergezogen.
In Amerika und Genf hatte ich jeweils einen Teilzeitjob. In Luzern habe ich dann nicht mehr gearbeitet und habe es genossen, ganz zu Hause bei den Kindern zu sein. Als das jüngste meiner drei Kinder in die Schule kam, wurde mir ein Job im Rektorat der Volksschulen angeboten. Diese Arbeit hat mir mir so gut gefallen, dass ich 20 Jahre lang, bis zu meiner Pensionierung, geblieben bin.
Was hast du mit deinem ersten Lohn gemacht?
Meinen ersten Lohn hatte ich in der Lehre. Das waren ungefähr 10 Franken im Monat. Ich glaube, die musste ich sogar zu Hause abgeben. (lacht)
Erinnerst du dich noch an deinen ersten Freund?
Ja, er hiess Max. Er war 20 und ich 16. Er hatte bereits ein Auto. was mich damals sehr beeindruckte. Meine Eltern waren sehr streng und durften von Max natürlich nichts wissen. Wenn ich ihn treffen wollte, habe ich ihnen gesagt, dass ich auf das Eisfeld gehe. Mit den Schlittschuhen über den Schultern bin ich die Strasse runter zu ihm nach Hause. Wir haben oft den ganzen Samstagnachmittag damit verbracht in seinem Zimmer zu plaudern und auch ein bisschen zu schmusen.
Wie bist du zur «Tripsche Zytig» gekommen?
Ich bin allein ins Quartier gekommen und kannte hier niemanden. Da gab es einen Aufruf des Quartiervereins, sie suchten Vorstandsmitglieder. Ich habe mich sofort gemeldet, weil ich mich integrieren wollte. Zusammen mit Heiri Bachmann wurde ich 2006 in den Vorstand gewählt und erhielt die Aufgabe, die «Tripsche Zytig» zu machen. Zuerst war ich damit schon ein bisschen überfordert. Die Arbeit war kompliziert. Die ausgeschnittenen Artikel und Inserate musste ich von Hand so zusammensetzen, dass sie optimal auf die Seiten passten. Das hat immer Stunden gedauert. Dann bin ich damit in die Druckerei gegangen. Das habe ich sieben Jahre lang so gemacht. Später hat der Vorstand ein Programm gekauft, mit dem diese Arbeit viel einfacher war. Aber ich habe es nie bereut. Die «Tripsche Zytig» hat mir immer viel Freude gemacht. Vor 50 Jahren erschien die erste Zeitung. Die ersten Ausgaben waren noch schwarzweiss.
Was war dein spannendstes Interview?
Ich habe in all den Jahren bei der «Tripsche Zytig» über 60 Interviews geführt. Alle waren auf ihre Art span-nend und eine Bereicherung für mich. Speziell beeindruckt hat mich aber das Interview mit dem Orgelbauer Simon Hebeisen. Ich hatte vorher keine Ahnung, dass in unserm Quartier Orgeln gebaut werden. Unvergessen bleibt auch das Interview mit dem Künstler Angy Burri in seinem Western Saloon. Er war eine sehr beeindruckende Persönlichkeit.
«Ohne die Tagesschau gehe ich nicht ins Bett, egal wie spät ich nach Hause komme.»
Wen würdest du interviewen, wenn du freie Wahl hättest?
Definitiv Peter Kraus. Ich bin seit Teena-gertagen ein riesiger Fan von ihm. Aber Ed Sheeran wäre auch toll. (schmunzelt)
Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Morgens stehe ich stets zwischen 6 und 7 Uhr auf und nehme mir dann mindestens eine Stunde Zeit, um gemütlich die Zei-tung zu lesen und das Kreuzworträtsel zu lösen. Ohne das gehe ich nie aus dem Haus, genauso wie ich abends nicht ohne die Tagesschau ins Bett gehe, egal wie spät ich nach Hause komme. Dazu kommt das tägliche Telefonat mit mei-ner Schwester um 8 Uhr und danach ruft meistens auch eines meiner Kinder an. Nach diesem festen Morgenritual ist mein Tagesablauf jeden Tag anders. Zwei- bis dreimal pro Woche steht ein Morgenspaziergang zum Richard-Wagner-Museum mit einer Freundin auf dem Programm. Fast jeden Tag treffe ich mich mit jemandem aus meinem Freun-deskreis zu verschiedenen Aktivitäten, z.B. zum Wandern oder zu einem kultu-rellen Anlass wie einem Museums- oder Galeriebesuch, einer Lesung und öfter auch zu einem Kinobesuch. Oft gibt es auch einfach einen «Schwatz» bei einem Kaffee oder Apéro. Für mich ist es auch wichtig, zwischendurch einfach mit mir alleine zu sein und plane mindestens einen Tag in der Woche, um mein Zuhau-se zu geniessen, zu lesen und auch mal zu faulenzen.
Vermisst du die Mitarbeit bei der «Tripsche Zytig» schon?
Der Abschied aus dem Vorstand des Quartiervereins ist mir sehr schwergefal-len und auch die gute Zusammenarbeit mit Fredy bei der «Tripsche Zytig» fehlt mir schon.
Aber jetzt geniesse ich es sehr, mehr Zeit für meine Familie und meine Freundin-nen zu haben. Sie sind das Wichtigste in meinem Leben. Zudem bin ich seit neun Monaten zum ersten Mal Grossmutter und es macht mich sehr glücklich, öfters mit dem Kleinen zusammen zu sein und auch auf ihn aufzupassen.
Hast du einen Tick, den keiner kennt?
Ich bin eine Chaotin, das heisst, ich neige dazu, verschiedene Dinge miteinander zu machen, anstatt etwas zu Ende zu brin-gen. Da ich allein lebe, merkt das wahr-scheinlich niemand. (lacht) Es gibt aber noch etwas anderes. Ich prokrastiniere. Ich schiebe wichtige Dinge grundlos vor mir her. Das habe ich bei jeder Ausgabe der «Tripsche Zytig» aufs Neue erlebt. Das Schreiben funktioniert bei mir nur unter Druck. Ohne Druck fehlt mir die Inspiration.
Was wünschst du dir für deine Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ich noch einige Jahre fit und munter am Leben teilneh-men kann. Das wünscht sich eigentlich jeder. Aber ich wünsche es mir ganz besonders. Ich möchte den ersten Schul-tag meines Grossbuebs miterleben. Einfach noch das Leben geniessen. Die Gesundheit ist mir wichtig, auch wenn ich dafür etwas vernünftiger leben müsste.
Und was wünschst du dir für unser Quartier?
Ich wünsche mir einen Quartiertreff-punkt. Es gibt zwar einige Begegnungs-zonen, aber es wäre schön, wenn wir ein Zentrum hätten. Ich wünsche mir auch, dass sich mehr Leute aktiv am Quartier-leben beteiligen. Vor allem wünsche ich dem Vorstand des Quartiervereins und dem Redaktionsteam der «Tripsche Zytig» weiterhin viel Freude und Energie bei ihrer so wertvollen Arbeit.
n für die IGSU. Seit 2007 engagiert sich der Verein für eine saubere Schweiz und organisierte den Clean-Up-Day nun schon zum 11. Mal. Die drei zeigten sich begeistert, was sie da vor Ort zu sehen bekamen. Nadine bedankte sich bei den Mitmachenden ganz herzlich: «Ihr alle seid super und ein wichtiger Teil vom Clean-Up-Day und habt mit eurem Engagement wertvoll zum Erfolg dieser beiden Tage beigetragen.»